Bildbetrachtung: 11. September

11. September, 60 x 60, Acryl und Öl auf Leinwand, 2008-2009

Der „11. September“ steht seit dem Jahre 2001 für Terror, weltweite Aufrüstung und das Entfachen vieler, weiterer lokaler Kriege um Öl, Vorherrschaft und Macht in der Welt. Die USA unter George W. Bush haben die Welt seitdem fast an den Abgrund gebracht. Die Begründung: Der Anschlag auf das World Trade Center in New York.

Aber es geschah noch etwas anderes an diesem Tag, was mein weiteres Leben nachhaltig beeinflusst hat und bis heute prägt.

Am 11. September 1973 wurde mit Hilfe der CIA der erste demokratisch gewählte Präsident von Chile, Salvador Allende, in seinem Amtssitz in Santiago de Chile ermordet und durch einen Putsch der Militärs eine faschistische Diktatur errichtet.

Ich war damals 17 Jahre alt, Schülerin, habe eine Hausarbeit über Chile geschrieben mit dem Thema: Chile – das erste demokratische Experiment auf lateinamerikanischem Boden.

Als die Nachricht vom Beschuss der Moneda, dem Regierungssitz Allendes, kam, war ich sehr traurig und auch wütend. Die Arroganz der Macht (USA) konnte Demokratie in ihrem Hinterhof nicht ertragen und musste sie im Keim ersticken.

Salvador Allende hatte nämlich die Kupferminen und das Gesundheitswesen verstaatlicht und damit dem Einfluss der USA–Konzerne entzogen. Jedes Kind bekam täglich einen halben Liter Milch umsonst. Weil ich dies alles in meiner Arbeit zum Ausdruck brachte, bekam ich von meinem Deutschlehrer eine 5 wegen einseitiger Darstellung. Der damalige Direktor der Schule gab mir eine 1, weil ich fundiert argumentiert und gut recherchiert hatte.

Tausende Chilenen wurden damals verschleppt, gefoltert und getötet. „Bei Sonnenschein ist es im Stadion sehr angenehm.“ So der Kommentar des damaligen deutschen Innenministers zu der Situation, dass Regimegegner und Künstler im Sportstadion von Santiago gefangen gehalten und ermordet wurden. Prominentestes Opfer war Victor Jara, der bekannte Volkssänger, dem man zuerst die Hände abschlug und ihn dann ermordete. Heute bekomme ich noch Gänsehaut, wenn ich seine Lieder höre.

Jedes Jahr am 11. September erinnere ich mich an 1973, an 2001 werden wir erinnert.

Noch viel wichtiger und entscheidender für mein gesamtes weiteres Leben war das Jahr 1982. Am 11. September 1982 wurde mein Sohn Philipp geboren und gleichzeitig fand in Bochum das große Friedensereignis „Künstler für den Frieden“ statt.
Das Plakat von Friedensreich Hundertwasser dazu besitze ich noch im Original.

Eigentlich wollte ich dorthin fahren, der errechnete Geburtstermin war der 17. September, und weil ich mich gut fühlte, wollte ich dabei sein, wenn sie alle kamen: Udo Lindenberg, Dietmar Schönherr, Konstantin Wecker, Degenhardt und Wader, Hanns Dieter Hüsch, Harry Belafonte, Mikis Theodorakis, Katja Ebstein, Karl Dall, Günter Lamprecht, Ulla Meinecke, Inti Illimani (aus Chile), Klaus Lage, Helmut Ruge, etc.

Und alle waren da, außer mir. Denn morgens um 8 kündigte sich Philipp an und machte deutlich, dass es besser wäre, nicht im Bus auf der Fahrt nach Bochum geboren zu werden.

Als die „Künstler für den Frieden“ sangen und spielten, bekam ich mein erstes Kind, ein echtes Friedenskind. Ein wunderbares Datum seitdem. Und es erinnert mich jedes Jahr ganz persönlich daran, dass Frieden in der Welt überhaupt nicht selbstverständlich ist, im Gegenteil. Deshalb an dieser Stelle der kleine Text eines sehr schönen Friedensliedes aus der damaligen Zeit:

„Wünsch mir die Welt, in der die Völker sagen:
Wir haben endlich den Krieg verloren,
wir haben den Krieg verloren
und – können – ihn - nicht - wiederfinden...“


Und weil wir längst nicht so weit sind, ist die Erdkugel noch immer mit Blutspuren versehen. Und die Zeit läuft.

Was geschah am 11. September 2008, die letzte Zahl in meinem Bild?

Da wurde mein Liebster und Ehemann 52 Jahre alt, ja auch er hat am 11. September Geburtstag. Jedes Jahr, seit nunmehr 14 Jahren, feiern wir gemeinsam, gedenken aber auch der Ereignisse, die wie keine anderen unser beider Leben prägen und begleiten.

Dieses Bild „11. September“ drückt mein Leben aus. Diese Bild ist mein Leben. Deshalb habe ich Ihnen etwas dazu erzählt. Wer das Bild versteht, versteht mich. Aber natürlich sieht jeder noch andere Dinge, Gefühle, andere Geschichten darin. Ich hoffe und wünsche mir das sogar!

Zum Schluss deshalb noch ein Lied der Friedensbewegung der Anfang 80-er Jahre, das als Kanon auf jeder Friedensdemo gesungen wurde:

„Nach dieser Erde wäre da keine, die eines Menschen Wohnung wär.
Darum, Völker achtet und achtet, dass sie es bleibt.
Wem denn wäre sie ein Denkmal, wenn sie still die Sonn umkreist.“


Und die Zeit läuft, läuft die Zeit ab?
Die Zeiger stehen nicht auf 5 vor 12. Gibt es Hoffnung?

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